Interessantes und Lehrreiches am Breitunger Wanderweg „Mit Luchsaugen zum Pleß“
Der 645 Meter hohe Pleß, sieben Kilometer westlich von Breitungen, war seit alters her Landmarke und Siedlungsgebiet. An seinen Hängen verliefen bedeutende Handelswege und wegen des Wildreichtums war der Berg ein beliebtes Jagdrevier. 1701 ließ Herzog Ernst Ludwig von Sachsen- Meiningen (1672-1724) ein erstes Pirschhaus auf der kleinen Pleßspitze errichten. 1886 beauftragte der Meininger Herzog Georg II. (1826-1914) seinen Hofbaumeisters Prof. Albert Neumeister mit dem Bau eines Jagdschlösschens im englischen Jagdhausstil direkt neben dem Pirschhaus. Bereits am 18. April 1888 konnte der schmucke Fachwerkbau, das Pleßhaus, übergeben werden.

Das herzogliche Jagdschlösschen (Pleßhaus) auf der Kleinen Pleßspitze 1935, Foto Karl Dittmar (1921-2013)
Bis zur Fürstenabdankung 1918 waren Wanderer und Ausflügler wegen der Jagdleidenschaft der Autoritäten nur ungern auf dem Pleß gesehen. Das änderte sich, als nach der Gründung des Freistaates Thüringen 1920 das Pleßhaus in Landeseigentum überging. Ein Förster hatte nun hier seinen Sitz und ab 1926 wurde außer vom seit 1887 im Haus wohnenden Forstwart Louis Abe („Pleßlouis“) auch vom Rhönklub Zweigverein Salzungen als Hauspächter Bier ausgeschenkt. Das Pleßhaus mauserte sich zum Ausflugslokal. Der am Pfingstmontag, den 23. Mai 1921, vom Rhönklub eröffnete erste Pleßturm auf der Pleßkuppe lockte außerdem jährlich unzählige Besucher aus dem Werratal und der Rhön auf den Berg. Der Turm wurde zwar bei einem Unwetter 1934 zerstört, doch bereits 1 ½ Jahre später weihte der Salzunger Rhönklub seinen zweiten Turm ein. Der Pleß blieb ein beliebtes Ziel für Einheimische und Salzunger Kurgäste. Das änderte sich erst 1962, als eine Kompanie der Funktechnischen Truppen der NVA das Pleßhaus bezog. Die Soldaten errichteten auf der Pleßkuppe eine Radar- Beobachtungsstation, wohl eine Art Pendant zum Radar-Horchposten, den seit 1947 die US Air Force auf der Wasserkuppe betrieb. Als die neue NVA- Kaserne auf der Pleßtannenwiese direkt unterhalb der Pleßkuppe 1966 fertiggestellt wurde, war der Pleßturm verschwunden. Die Luftwaffensoldaten verließen nun das Pleßhaus. Nach einer vorübergehenden Nutzung als Betriebsferienlager sperrte dann 1973 das Militär das Pleßhaus mit dem umgebenden Areal, auch im Zusammenhang mit der Einrichtung eines Truppenübungsplatzes im nördlichen Teil des Plaßmassivs. Das Jagdschlösschen war jetzt dem Verfall und Vandalismus preisgegeben. Beherzte Breitunger Kulturbundmitglieder um den Bauingenieur Helmut Arnold und Gemeindevertreter setzten mit technischer Unterstützung des Militärs 1974/75 das Pleßhaus auf den Heiberg oberhalb des Breitunger Sees um. Seit nunmehr 50 Jahren schätzen Besucher das Haus als „Gaststätte Seeblick“ mit seiner regionalen Küche und der herrlichen Aussicht auf das Werratal und den Thüringer Wald. Im Oktober diesen Jahres kann also das Goldene Jubiläum des beliebten „Seeblicks“ gefeiert werden!
1974: Das Pleßhaus wird auf der Kleinen Pleßkuppe abgebaut und auf den Breitunger Heiberg umgesetzt, Foto Archiv Dieter Wenig Breitungen
Die Pleßkuppe blieb aber als Radarstützpunkt für die Öffentlichkeit gesperrt. Der Ansturm von Heimatfreunden, Wanderern und Kommunalvertretern war groß, als die NVA- Soldaten die Radarschirme 1990 abbauten und die Pleßkuppe wieder zugänglich wurde. Die Kaserne auf der Pleßtannenwiese wurde im Winter 2015/16 abgebrochen, das Terrain renaturiert.
Abriss der Pleßkaserne im Winter 2025/16, Foto R. Dittmar
Bereits 1992 stellte der im Januar 1990 wieder gegründete Rhönklub Zweigverein Breitungen eine einfache Schutzhütte auf der Pleßtannenwiese auf, bevor dann 1995 und 1999 zwei weitere massive Wanderhütten auf der Pleßkuppe regelmäßig an den Wochenenden bewirtschaftet wurden. Der dritte, massive Pleßturm wurde am 2. Oktober 1999 feierlich eingeweiht. Es verwundert daher nicht, dass jährlich bis zu 5000 Wanderer und Radfahrer aus allen Himmelsrichtungen den Pleß besuchen, die herrliche Aussicht genießen und in die Hütten einkehren. Bereits Anfang der 2000er Jahre war daher der Vorstand der Rhönklubzweigvereins Breitungen bemüht, die Hauptwanderwege besser zu markieren, Sitzgruppen und Infoschilder aufzustellen, was aber nur im bescheidenen Umfang gelang.
Vor allem die Rhönklubmitglieder Rochus Rücker, Sabine Schuster und Elisabeth Wend entwickelten dann 2020 ein fundiertes Konzept zur Aufwertung des viel begangenen Wanderweges von Breitungen über Knollbach zum Pleß. Vor vier Jahren wurde damit der Vereinsvorstand im Breitunger Rathaus vorstellig- und stieß auf offene Ohren! Die Tourismusfrau Conni Reum schaltete sich mit ein. Gemeinsam wurde das Projektziel konkretisiert: Sich mit der Familie in der Natur bewegen, etwas Interessantes erleben und Wissenswertes erfahren. Acht thematische Stationen mit Infotafeln zu Fauna, Flora, Waldwirtschaft und Heimatgeschichte sollten entlang des etwa sieben Kilometer langen Weges aufgestellt werden. Sitzgruppen an exponierten Stellen oder Aussichtspunkten und Aktivgeräte sollten für jung und alt eine Wanderung ermöglichen und interessante Abwechslung bieten. Auch ein Namen für das ambitionierte Vorhaben war schnell gefunden: “Mit Luchsaugen zum Pleß!“ Wer aufmerksam, umsichtig und in Ruhe den Weg geht- eben wie ein Luchs- kann sich an der abwechslungsreichen Natur und den herrlichen Fernsichten erfreuen, entspannt rasten oder sich aktiv körperlich betätigen und nebenbei noch eine ganze Menge dazulernen.
Mit dem zuständigen Revierleiter des Thüringer Forstamtes Schmalkalden Andreas Fischer wurden geeignete Standorte für Infotafeln, Sitzgruppen und Aktivgeräte festgelegt.
Nach der detaillierten Ausarbeitung des Projekts, zu der auch die inhaltliche und optische Gestaltung der Schautafeln gehörte, war die Finanzierung zu klären. Immerhin belief sich der Aufwand auf 48.000 EUR. Alle Beteiligten waren sehr froh als das Landratsamt Schmalkalden- Meiningen die Übernahme von 50% der Kosten aus dem Fonds „Zur Förderung der touristischen Infrastruktur“ signalisierte. Der anvisierte Realisierungstermin 2022 konnte wegen der CORONA- Pandemie nicht eingehalten werden. 2024 entstand aber als erste der acht Wege- Station auf der Pleßkuppe nahe der Wanderhütte ein Kinderspielpatz mit anspruchsvollen Geräten.
Als schwierig zeigte sich die Suche nach bauausführenden Firmen. Nachdem zwei Versuche einer Beauftragung scheiterten, übernahm der Bauhof der Gemeinde Breitungen die Arbeiten. Das Versprechen, das Breitungens Bürgermeister Ronny Römhild am 3. Oktober 2024 abgab, wurde eingehalten. Ab dem 1. Mai 2025 sind alle Elemente aufgebaut, ist der Luchspfad fertig.
Eröffnung des Wanderweges „Mit Luchsaugen zum Pleß“ im April 2025: Mitarbeiter des Breitunger Bauhofes mit Bürgermeister Ronny Römhild (2.v.l), Rochus Rücker (r.), 1. Vorsitzender des Rhönklub ZV Breitungen, und Sabine Schuster (2.v.r.) Rhönklub ZV Breitungen, Foto aus stz vom 26./27. April 2025 von Ulricke Bischoff
Wanderer und Radfahrer können sich am Startpunkt auf dem Knollbacher Parkplatz an Hand einer Übersichtstafel mit dem Weg vertraut machen. Nach 750 Metern informiert eine zweite Tafel „An der Trift“ rechts am Weg neben einer Bank mit Aussicht zum Windberg über das artenreiche Leben am Waldrand. Außerdem kann man hier ein Baumtelefon testen.
„An der Trift“ kann man ausruhen und ein Baumtelefon, links im Bild, testen, Foto Rudi Dittmar
Nach weiteren 500 Metern erfährt man auf der dritten Schautafel an der „Steinbirke“ etwas über den Luchs, der auch in unseren Wäldern wieder heimisch wird. An der „Kilianskuppe“ haben Wanderer nach 3,5 Kilometern die erste Hälfte des Weges bereits geschafft. Hier lädt ein überdachter Rastplatz mit Fahrradständer und einer herrlichen Aussicht auf Breitungen und den Thüringer Wald zum Rasten ein. Auf einer vierten Infotafel wird hier erklärt, warum eigentlich die Bezeichnung „Kilianskuppe“ falsch ist, nichts mit dem Frankenapostel Kilian (640-689) zu tun hat und wieso der Luchs- Wanderweg auch „Grenzweg“ heißt. Empfohlen wird ein 1000 Meter- Abstecher auf das 70 Meter höher gelegene Plateau der Kuppe mit Resten der „Kilianseiche“, interessanten Bodenstrukturen und einer tollen Aussicht auf Bad Salzungen, ins Werratal und in den Moorgrund.

Von der Station 4, dem Rastplatz „An der Kilianskuppe“, hat man eine grandiose Fernsicht auf das Werratal mit Breitungen und den Thüringer Wald. Eine Infotafel informiert zu Regionalgeschichtlichem (Foto Rudi Dittmar).
An den nächsten drei Stationen, die vom Rastplatz ca. 800, 1.600 und 3.000 Meter entfernt sind, kann man sich über das vielfältige Leben im Biotop Wald informieren. Nach noch einmal 500 Metern und 50 Höhenmetern hat man das Plateau der Pleßkuppe mit den Rhönklubwanderhütten, dem 22 Meter hohen Aussichtsturm und die Station 8, den Kinderspielplatz, erreicht.
Gelungen: Die 8. Station des Weges „Mit Luchsaugen zum Pleß“- der Spielplatz auf der Pleßkuppe, Foto Sabine Schuster.
Vom Pleßturm aus sieht man bei klarem Wetter im Nordosten den Brocken/ Harz (Entfernung 120 km), in nördlicher Richtung den 70 km entfernten Hohen Meißner, im Osten den Inselberg und im Süden die Gleichberge im Grabfeld.
Nach der Wanderung von Breitungen auf den Pleß, auf der immerhin 400 Höhenmeter zu bewältigen waren, laden die Rhönklub- Wanderhütten zu einer Einkehr ein. Sie haben an Samstagen von 13- 17 Uhr und an Sonn- und Feiertagen von 10- 17 Uhr (Oktober bis März bis 16 Uhr) geöffnet.
Erwähnt werden soll noch, dass Wanderer, die auf dem Hochrhöner vom Pleß in Richtung Westen unterwegs sind, nach 1,6 km am Roßdorfer Tor auch eine seit zwei Jahren stehende, überdachte Sitzgruppe mit einem Infoschild nutzen können. Sie wurde auf der Breitunger Landwehr aufgestellt, deren Bau vor etwa 600 Jahren durch die Grafen von Henneberg- Schleusingen zum Schutz ihres Territoriums veranlasst wurde. Die Landwehr, heute noch vielerorts an Gräben und Grenzsteinen erkennbar, zieht sich über 60 km vom Kleinen Dreiherrnstein im Thüringer Wald, durch das Werratal bis zum Roßdorfer Tor am Pleß und dann als „Haelgraben“ (Bezeichnung auf Forstkarte von 1820) weiter in Richtung Schönsee. Die Flurbezeichnung Roßdorfer Tor rührt von einem Durchgang, einem Schlag, in der Landwehr her.
Der neu gestaltete Wanderweg „Mit Luchsaugen zum Pleß“ bietet für jung und alt aktive Erholung mit herrlichen Fernsichten, gute Rastmöglichkeiten und interessante Informationen zum Leben im Wald und zur Heimatgeschichte. Der Weg lohnt sich!
Dr. Rudi Dittmar